Wie der ein oder andere weiß ist mein Vater am 21. Dezember 2021 von uns gegangen. Er hat sein ganzes Leben mit Arbeiten vollbracht. Er ist niemals umgezogen, hat immer auf dem gleichen Grundstück gelebt. Solange ich denken kann war es ihm sehr wichtig, dass sein Elternhaus im Familienbesitz bleibt und an einen seiner Söhne (also von mir oder meinem Bruder) weiter gegeben wird. Kurz vor seinem Tod verfasste er ein notarielles Testament in welchem er seinen letzten Willen verfügte. Ebenso, es scheint als hätte er gewusst was bald passieren könnte, wurde ein extra Passus zum Thema Pflichtteil hinterlegt. Nun müssen wir uns erneut mit dem Thema Pflichtteile bei Testament herumschlagen denn bei Geld hört Familie und Freundschaft wohl auf.
neue Hochzeit nach Scheidung
Mein Vater heiratete nach seiner Scheidung erneut. Seine neue Ehefrau wurde “normal” in der Familie aufgenommen, es bestand ein gutes Verhältnis. Egal ob zu Lebzeiten meines Vaters oder nach seinem Tod, wir hatten immer (mehr oder weniger regelmäßig) Kontakt mit einander. Die neue Ehefrau zog recht schnell in das Haus meines Vaters mit ein und vermietete Ihr eigenes Haus. Wenn etwas am Haus der Ehefrau war ist mein Vater natürlich gesprungen und hat unterstützt selbige zu beheben (egal ob Heizung, Sauna oder …). Normal eben, niemand möchte alleine durchs Leben gehen.
frühe Diskussionen um den Nachlass
Vorab: Niemand sollte denken dass es hier um Millionen geht. Mein Vater war ein “normaler” Handwerker welcher Besitz weniger Dinge war. Hierunter 2 Immobilien und ein Gartengrundstück welche für uns mehr ideelen als finanziellen Wert haben.
Wie auch immer, der Herzenswunsch meines Vaters war es, dass der Familienbesitz innerhalb der Familie bleibt. Familie war in diesem Bereich auch klar definiert, für meinen Vater war dies lediglich er selbst, mein Bruder und ich. Klar war auch, dass für seine Ehefrau gesorgt werden solle so dass diese sich bis zu Ihrem Lebensende keine Gedanken über Ihre Wohnsituation machen muss. Zu diesem Zweck wurde in einem der Immobilien ein lebenslanges Wohnrecht eingetragen.
Mein Vater litt an COPD, einer schweren Lungenkrankheit. Die letzten Monate beschäftigte mein Vater eigentlich nur noch das Thema Nachlass und Testament. Er sprach mit seiner Anwältin, seiner Notarin und entschied sich zu einem Testament.
Der Inhalt des Testaments war uns nur im groben bekannt, sorgte jedoch schon vor seinem Tod für erste Diskussionen mit seiner Ehefrau. Aussagen wie “Das werde ich anfechten” sorgten, für Unruhe. Besonders kritisch wurde es, als seine Ehefrau mit meinem Vater streit anfing und drohte sofort auszuziehen, wenn er sich erlauben würde ein Testament zu machen. Die Sache drohte zu eskalieren.
Meine Haltung zu Geld und Vertrauen ist ganz klar: Wenn man eine gemeinsame Vertrauensbasis hat, kann man über alles Reden. Genau dies war in allen Diskussionen mein ständiges Mantra. So traf ich an diversen Stellen zu der Ehefrau meines Vaters die klare Aussage dass wir immer über alles Reden können. Allerdings auch, dass es wichtig ist zu reden und dass ich auf einen Weg über einen Anwalt “verstört” reagieren würde.
Ruhe kam erst nach dem Testament
Mein Vater war unruhig. Der Nachlass beschäftigte ihn immens. In den ersten Wochen wollte er seinen letzten Willen noch selbst händisch zusammen schreiben doch er war einfach zu schwach. Er fing hier und da einmal an, musste dies dann jedoch immer wieder unterbrechen. Irgendwann ring er sich dann dazu durch seine Notarin mit der Erstellung zu beauftragen.
Nach der Unterzeichnung seines Testaments unter Beisein der Notarin wirkte mein Papa sichtlich erlöst. Er war bereit von uns zu gehen und hatte das letzte, was ihm wirklich am Herzen lag, noch erledigt. Wenige Tage später schlief er zuhause ein.
Auf seinen ausdrücklichen Wunsch wurde mein Vater im Grab seiner Eltern begraben. Er wollte eine Urnenbestattung und bei seinen Eltern sein. Eine gemeinsame letzte Ruhestätte mit seiner Ehefrau war für ihn total ausgeschlossen. Was ich damals noch nicht verstand ergibt nach der heutigen Erkenntnis definitiv sinn …
Pflichtteil bei Testament – gemeinsame Beratung beim Anwalt
Nach der Testamentseröffnung suchten wir, gemeinsam mit der Ehefrau meines Vaters, die Anwältin meines Vaters auf um uns das Testament erklären zu lassen. Während dem Gespräch wurden von allen Seiten, auch der Frau meines Vaters, viele Fragen gestellt. Da sowohl für mich als meinen Bruder klar war, dass wir uns intern erst auseinandersetzen wenn die Sachlage mit seine Ehefrau geklärt ist, war der Punkt des gemeinsamen Termins für uns wichtig.
Wir stellten Modellrechnungen auf um eventuelle Pflichtteilsansprüche zu errechnen. Am Ende war man sich einig. Wir hatten einen gemeinsamen groben Überblick über das “Nachlassverzeichnis” und waren uns mit den Werte einig.
Die Modellrechnungen ergaben, dass die von meinem Vater an seine Ehefrau vermachten Rechte (Wohnrecht, Nießbrauchrecht) ungefähr genau so viel wert sind wie der mögliche Pflichtteilsanspruch. Da im Testament verfügt ist, dass unter anderem der Wert dieser Rechte gegen einen eventuell in Anspruch genommenen Pflichtteilsanspruch gegen gerechnet werden ein relevanter Punkt. Am Ende des Termines waren wir uns alle drei einig wie wir weiter verfahren würden. Unter anderem auch, dass die Ehefrau meines Vaters den letzten Willen akzeptiert und mit den überlassenen Wohn- und Nießbrauchrechten zufrieden ist.
Pflichtteil bei Testament – Happy Birthday
Ich war diesen April, über meinen und den Geburtstag meiner Tochter mit meiner Familie im Urlaub. Kurz vor der Abreise erhielt ich eine Whatsapp der Ehefrau meines Vaters welche mir mitteilte, dass diese sich ungerecht behandelt fühle und sie sich gerne mit uns unterhalten möchte. Ein paar Tage später bin ich eh in Geisenheim und besuche meinen Bruder. Vorher bin ich noch kurz in meinem Elternhaus und treffe hier auch die Ehefrau. Ich teile ihr mit, dass ich mich am selben Tag mit meinem Bruder unterhalte, dann aber in Urlaub fahre und wir uns nach dem Urlaub zusammen setzen. Sache für mich erstmal geklärt.
Nachdem ich am 25. April am späten Abend aus dem Urlaub zurück bin ist mein Briefkasten leer. Mein Nachbar hat die Post, wie besprochen, sauber ausgeräumt. Am 27. April bringt mir selbiger den Stapel, darunter auch ein Einwurfeinschreiben einer Anwaltskanzlei. Diese teilt mir mit, dass diese die Interessen der Ehefrau meines Vaters vertritt welche Ihren Pflichtteil einfordern möchte.
Gier frisst Hirn
Da fragt man sich doch, warum man überhaupt miteinander spricht. Welchen Wert haben Vereinbarungen wie “Wir unterhalten uns nach dem Urlaub” für einen Wert wenn man wenige Tage später beim Anwalt sitzt? Welchen Wert haben gemeinsame Absprachen, welchen Wert der letzte Wille eines angeblich geliebten Menschen? Ist es möglich dass man durch Gier sämtliche Vertrauensbasis zerstört?
Nachdem ich noch am gleichen Tag an welchem ich das Schreiben erhalten habe das persönliche Gespräch mit der Ehefrau meines Vaters suchte sind meine Illusionen über eine gemeinsame Basis völlig zerstört. Im Gespräch selbst wurden sämtliche Tatsachen verdreht, wilde Anschuldigungen platziert und Aussagen getroffen, die absolut an den Haaren herbeigezogen sind. Auf meine Frage was Sie denn eigentlich konkret verlange wurde mir mitgeteilt, dass Sie mit uns gar nichts mehr bespricht sondern Sie das jetzt alles über den Anwalt klären lässt.
Es scheint also als ob mir nun ein langer Rechtsstreit ins Haus steht. Den Anwalt habe ich am Freitag noch darüber informiert dass die gesetzte Frist aufgrund des bekannten Urlaubes nicht einzuhalten war. Nächste Woche werde ich mich dann mit meinem Bruder zusammen setzen und mich einmal mit dem Schreiben befassen.